Interkulturalität und Ökumene

Interkulturalität ist eine der grossen Herausforderungen in der Welt, denen sich auch die Schweiz heute stellen muss. Unser Land stellt sich seit vielen Jahren der Herausforderung, seine vier Kulturen und Sprachen zu integrieren, und es ist ihm gelungen, dies recht gut zu erreichen. Heute besteht die Schweizer Bevölkerung zu 25,7 % aus Immigranten aus aller Welt. Die italienische, die deutsche, die portugiesische und die französische Staatsangehörigkeit bilden die Mehrheit der Ausländerinnen und Ausländer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union/Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und aller dauerhaft in der Schweiz ansässigen Ausländerinnen und Ausländer.[i] Dieser Multikulturalismus bietet die Möglichkeit, sich über die eigenen Grenzen hinaus zu öffnen.

Eine in der Siedlung durchgeführte Umfrage soll eine positive interkulturelle Erfahrung bieten, wie Bonaria Gessa, eine Italienerin, die seit 7 Jahren in der Mariapoli Foco tätig ist, erklärt: "Die Realität, in der wir leben, ist die des 'globalen Dorfes' und als solches fordert sie das Land, in dem wir heute leben, heraus und spricht jeden von uns persönlich an. Ich würde Interkulturalität als "Herausforderung, Chance und Reichtum" zugleich definieren: eine ausgezeichnete Gelegenheit, um die Welt zu  bereisen und dabei an einem Ort namens Montet zu bleiben.

 Es ist eine Gelegenheit, dem anderen aufmerksam zuzuhören und andere und ungewohnte Verhaltensweisen zu respektieren. Indem wir sie aufnehmen, werden sie zu einem Reichtum, der unser Brauchtum und unsere Herkunftskultur beleuchtet und positive und weniger wichtige Aspekte und Werte aufzeigt. Bei näherem Nachdenken entdecken wir auch unerwartete und schöne gemeinsame Wurzeln in den verschiedenen Verwirklichungen. Wir erleben Vielfalt, und sind gleichzeitig in der Lage, unterschiedliche Kulturen willkommen zu heissen, zu verstehen, zu akzeptieren, zu respektieren und mit ihnen zusammenzuleben.

Wo liegt die Quelle dieses Denkens und Handelns? "In meinen längst vergangenen Universitätsjahren sprach mein Philosophieprofessor über den Okzidentalismus und die "Sünden des Westens" gegenüber dem Rest der Welt, aber das habe ich damals nicht verstanden! Als ich Chiara Lubich[ii] kennenlernte, nahm ich ihre Einladung an, "von allen zu lernen" und mir die "Vielfalt" zu eigen zu machen, den anderen mit dem gebührenden Respekt und der Demut eines Menschen zu begegnen, der weiss, "dass er immer lernen muss", und der sich bewusst ist, "dass es eine ganz andere Art gibt die Dinge zu sehen".

Ein weiterer typischer Aspekt in der Schweiz ist die Gegenwart verschiedener christlicher Kirchen. Auf Bundesebene gibt es in der Schweiz keine Staatsreligion, aber die meisten Kantone anerkennen sowohl die katholische als auch die reformierte Kirche als Kantonalkirchen. Im 20. Jahrhundert wurde der ökumenische Weg viel intensiver und 1948 wurde die ökumenische Bewegung am Ökumenischen Rat der Kirchen[iii] mit Sitz in Genf gegründet. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil[iv] hat sich die katholische Kirche ausdrücklich für den ökumenischen Dialog geöffnet.

Die religiöse Landschaft in der Schweiz hat sich in den letzten 50 Jahren stark verändert. Der Anteil der Katholiken ist relativ stabil geblieben, während der Anteil der Evangelisch-Reformierten stark zurückgegangen ist, zugunsten des Anteils der Personen, die sich als konfessionslos bezeichnen (im Jahr 2020 gehörten 35,8 % der Bevölkerung der katholischen Kirche an, 23,8 % der Schweizerischen Reformierten Kirche. 26,3 % gaben an, keinen religiösen Glauben zu haben).[v]

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts muss sich die Ökumene in der Schweiz den "Herausforderungen stellen, die sich aus der fortschreitenden Säkularisierung und der damit einhergehenden Akzentuierung traditioneller Positionen in den jeweiligen Kirchen ergeben, sowie einem instabilen konfessionellen Bewusstsein der Gläubigen - vor allem der jungen Menschen - und gleichzeitig dem Bedürfnis nach Dialog mit anderen Religionen, insbesondere dem Islam".[vi]

Da sich die Siedlung von Montet in einer religiös gemischten Gegend befindet, war es für die Gründerin der Fokolar-Bewegung, Chiara Lubich, naheliegend, ihr einen ökumenischen Zweck zu geben. Paul Legrand aus Belgien erklärt: "In diesen vierzig Jahren haben die Leute der Mariapoli Foco Mitglieder verschiedener Kirchen aufgenommen und am Leben dieser Kirchen teilgenommen. Sie haben stets versucht, den Satz des Evangeliums zu leben: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20). Es ist diese mystische Gegenwart, die uns bei unseren täglichen Schritten auf dem Weg zur christlichen Einheit begleitet. Seine lebendige Präsenz ist ein sichtbarer Beitrag zum ökumenischen Weg in der Schweiz und in der Welt." In der Siedlung selbst finden verschiedene ökumenische Aktivitäten statt: die Feier des Wortes, ökumenische Konferenzen zu verschiedenen Themen, bei denen die Redner Mitglieder der verschiedenen Kirchen sind, brüderliche Momente zwischen Pastoren und Pfarrern, um durch gegenseitiges Kennenlernen die Brüderlichkeit zu fördern.


[i]vgl.: ausl. Wohnbevölkerung 31-12-2021

[ii]Chiara Lubich (1920-2008), Gründerin der Fokolar Bewegung

[iii]https://www.oikoumene.org/de

[iv]  1962 - 1965

[v]vgl.: Entwicklung der Religionslandschaft

auch: Wikipedia: Religionen in der Schweiz

[vi]https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011455/2013-12-10/

[vii]Anteil der Angehörigen von Religionsgemeinschaften an der ständigen Wohnbevölkerung in der Schweiz nach Altersgruppen im Jahr 2020: Religionsgemeinschaften in der Schweiz

[viii] vgl.: Focolari Montet

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