Eine Geschichte aus dem Leben - 1

 

Eine Geschichte, die den Menschen des 21. Jahrhunderts einen möglichen Weg zur universellen Bruderschaft vorschlägt, um - zusammen mit vielen anderen - dazu beizutragen, diese unsere Welt voller Leiden neu zu beleben.

12 Monate, 12 Kapitel, 12 Zeugen, die jeden Tag das Ideal verwirklichen, das Gott durch Chiara der ganzen Welt gegeben hat. Eine lebendige Geschichte, die sich in vielen Männern und Frauen heute noch fortsetzt.

       1. ‘Gib dich mir ganz’

“1939 wurde ich zu einer Tagung katholischer Studenten nach Loreto in Mittelitalien eingeladen, wo - gemäss der Tradition - das kleine Haus der Heiligen Familie von Nazareth in einer grossen Kirchenfestung untergebracht wurde. Angeblich war dieses während der Kreuzzüge dorthin transportiert worden. Ich nehme mit allen anderen an einem Kurs in einer Schule teil, aber wann immer ich kann, laufe ich dorthin. Ich knie neben der Wand nieder, die von den Lampen geschwärzt wurde. Etwas Neues und Göttliches umschliesst mich, erdrückt mich fast.

Ich betrachte in meinen Gedanken das jungfräuliche Leben der drei: "Maria muss hier gelebt haben - denke ich - Josef muss den Raum von dort nach dort durchquert haben. Das Jesuskind in ihrer Mitte hat diesen Ort während Jahren gekannt. In diesen Wänden muss seine Kinderstimme widerhallt haben....". All diese Gedanken belasten mich, drücken auf mein Herz, ich kann meine Tränen nicht kontrollieren. In jeder Freizeit während des Kurses, laufe ich dorthin: Dieses Zusammenleben von jungfräulichen Leuten mit Jesus in ihrer Mitte hat für mich eine unwiderstehliche Anziehungskraft.

Zurück in der Gegend von Trient, in einem kleinen Dorf im Val di Sole, wo ich als Lehrerin tätig war, treffe ich meine Schüler und den Pfarrer, der sieht wie glücklich ich bin und mich fragt: "Hast du deinen Weg gefunden?". "Ja", antworte ich. "Die Heirat?" "Nein". "Das Kloster?" "Nein".  "Wirst du in der Welt als Jungfrau bleiben?" "Nein". Ich verstehe, dass dies etwas Neues ist. Aber ich weiss noch nicht mehr. In Loreto hatte ich sozusagen die plastische Vision, die erste Idee von dem, was der Fokolar sein würde: Für diesen ist - dank der gegenseitigen, lebendigen Liebe - die geistliche Gegenwart Jesu in der Mitte unerlässlich, so wie sie auch für Maria und Josef ganz konkret war.

Vier Jahre vergingen. Es war das Jahr 1943. Aus Liebe zu meiner Mutter ging ich an einem eiskalten Tag, anstelle meiner Schwester, Milch im Stadtteil ‘Madonna Bianca’ in ‘Viale Verona’ kaufen. Auf halbem Weg schien es mir, dass sich der Himmel über mir öffnete und jemand mich einlud, ihm zu folgen: "Gib dich mir ganz". Ich sprach sofort mit dem Beichtvater darüber, und er erlaubte mir, mich für immer Gott zu weihen. So wurde der erste Stein der Fokolar-Bewegung gelegt, das geistige Gebäude, das errichtet werden sollte." (Fortsetzung folgt)

 

Diese Geschichte wurde von Chiara Lubich zu verschiedenen Zeitpunkten selbst erzählt. Die Texte stammen aus dem ersten Kapitel des Buches “Un popolo nato dal Vangelo", E. Fondi - M. Zanzucchi, S. 3-4, Editrice San Paolo.  Historische Hinweise zu den verschiedenen Reden finden Sie auf S. 3.